Die Bleilochtalsperre genießt einen guten Ruf als Raubfischrevier. Vor allem Zanderangler kommen oft ins Schwärmen, wenn es ums Thüringer Meer geht. Doch hält dieses Gewässer wirklich, was es verspricht? Christian Siegler machte sich Anfang August auf den Weg, um es herauszufinden.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“. Dieses Sprichwort passt gut zu mir und der Bleilochtalsperre, denn dieses Gewässer liegt keine zwei Autostunden von meinem Geburtsort in Thüringen entfernt. Trotzdem zog es mich meist in entferntere Reviere. Umso interessanter fand ich den Vorschlag von meinem Freund Dirk Nestler, zusammen mit dem Bleiloch-Kenner Tobias Voigt einmal einen Versuch an Deutschlands größtem Stausee auf Zander zu starten. Die beiden Abu Garcia-Teamangler kennen das Gewässer gut und Tobias bietet hier auch Guiding-Touren an. Nach einem kurzen Telefonat war ich überzeugt und der Termin Anfang August stand fest.

Groß und wunderschön

Der 920 Hektar große Stausee liegt mitten im Thüringer Schiefergebirge – zusammen mit vier weiteren Gewässern und etlichen Pumpspeicherwerken bildet er die sogenannte Saalekaskade – ein Eldorado für Erholungssuchende. Umgeben von Nadelwäldern und steilen, schroffen Felswänden kommt hier schnell Urlaubs-Feeling auf.
Ich merke davon allerdings erst einmal nichts, denn erst spät in der Nacht rollt mein Wagen an den Bungalow im Ferienpark „Obere Saale“ und die Müdigkeit zwingt mich ins Bett. Am nächsten
Morgen starten Dirk, Tobias und ich zur Slipstelle bei Saaldorf und lassen Tobis Boot zu Wasser. Die Bleiloch wirkt mit ihren zerklüfteten Ufern, zahlreichen Buchten und Seitenarmen gar nicht so riesig. Fjordähnlich schlängelt sie sich durch den Thüringer Wald – vor allem der südliche Teil, den wir zuerst befischen, kommt mir eher wie ein breitgezogenes Flussbett vor. Natürlich ist der Zander unser Zielfisch Nummer eins. Ein ganz heißer Spot liegt direkt neben unserer Slipstelle – die Brücke bei Saaldorf – und wir können sofort losangeln. Hier gibt es ein Plateau unter Wasser, welches auf einer Seite stufenweise abfällt. Im Schatten der Straßenbrücke und an den Kanten lauern die Räuber auf ihre Beute. Genau dort bieten wir unsere Köder an. 10 bis 15 Zentimeter lange Gummifische mit Bleiköpfen um die zehn Gramm hüpfen über den kiesigen Grund und bleiben nicht lange unbemerkt – die ersten Zander attackieren unsere Köder. Nach einer halben Stunde beschließen wir jedoch die Stelle zu wechseln, da sich mittlerweile mehrere Boote am Platz eingefunden haben.

Unter Hochspannung

Der nächste verheißungsvolle Spot befindet sich in einem recht schmalen Bereich der Talsperre und liegt direkt unter einer Hochspannungsleitung. Hier fällt das Ufer auf einer Seite sehr steil ab. Unter Wasser setzt sich diese Kante fort – dort befindet sich auch das alte Flussbett der Saale. Auf dem Weg zu dieser Stelle treffen wir auf einige Karpfenangler, die ihr Lager am Ufer aufgebaut haben. Nach einem kurzen Gespräch erfahren wir, dass sie in der Nacht zuvor Fische bis 25 Pfund gefangen haben – auch das geht an der Bleilochtalsperre. Neben Karpfen und Zandern landen immer wieder starke Aale und Welse in den Keschern der Angler. Und auch Barsche und Hechte wachsen hier zu echten Traumfischen heran. Wir konzentrieren uns aber weiterhin auf die Glasaugen. Tobias ist noch recht angespannt – die letzten Tage waren sehr zäh und jeder Fisch musste hart erkämpft werden. Ausdauernd fischen heißt die Devise – und das wird belohnt. Der trockene „Tock“, den ich bis ins Handteil meiner Rute spüre, lässt keinen Zweifel daran, dass ein Stachelritter meinen Köder attackiert hat. Nach kurzem Drill ist der Räuber im Boot – Mitte Fünfzig schätzen wir den Fisch und Tobias meint, dass diese Größe der Durchschnitt hier ist. Gar nicht übel. Nach ein paar Würfen hängt der nächste gut 50 Zentimeter große Zander. Und so geht es bis zum Abend weiter. Fast an jeder Stelle lassen sich ein, zwei Fische überlisten und wir steuern gegen 21 Uhr zufrieden unsere Ferienhütte an.

Der Dicke aus der Rinne

Der nächste Morgen verspricht eine gute Angelei. Bedeckter Himmel und leichter Wind – perfekte Bedingungen. Das finden auch die Zander und die ersten Bisse lassen nicht lange auf sich warten. Wir beschließen einen Platz anzufahren, der uns am Tag zuvor zwar keinen Fisch brachte, aber von der Beschaffenheit sehr interessant erscheint. An einem flachen Abschnitt der Talsperre fließt das alte Flussbett entlang einer Felswand und hat eine tiefe, schmale Rinne gegraben. Hier ziehen Zander und Welse auf Nahrungssuche entlang. Wir werfen immer bis dicht ans Ufer, um die Köder möglichst lange in der Vertiefung zu fischen. Als ich mein Gummi zum zweiten Mal anjiggen will, spüre ich nur einen dumpfen Widerstand und schlage reflexartig an. Starke Kopfstöße signalisieren mir, dass es tatsächlich ein Fisch ist und kein Hänger. Mein Gegner fühlt sich groß an und nimmt Fahrt auf. Ich denke die ganze Zeit an einen mittleren Wels, hoffe aber, dass vielleicht doch eine Stachelflosse die Wasseroberfläche durchbrechen wird. Tobias macht sich derweil zur Landung bereit und hat den Kescher geschnappt. Noch scherzen wir und sind recht entspannt. Als der Fisch aber das erste Mal zu sehen ist, liegen die Nerven blank. Ein großer Zander kämpft jetzt heftig am Boot und wir sind auf einmal ganz still. Erst, als der Kescher den Kapitalen umschließt, fällt die Anspannung von uns ab. Zittrig greife ich mir den Stachelritter und realisiere, dass ich gerade einen 93 Zentimeter großen Traumfisch in den Händen halte. Nach diesem Erlebnis lege ich die Rute erst einmal zur Seite und atme tief durch.

Schlag auf Schlag an der Bleilochtalsperre

Nachdem an der Rinne nichts mehr geht, fahren wir in die Wetterabucht nahe der Staumauer. Einmal quer über die Bleilochtalsperre – ob sich das lohnt? Dort angekommen, suchen wir uns wieder eine Kante nah am Ufer und ankern. Tobi meint, dass hier in letzter Zeit zwar viele, aber keine großen Räuber gefangen wurden. Trotzdem vertraut er der Stelle. Und er weiß, was er tut – nach einer halben Stunde fängt Dirk den ersten Besseren. Und dann noch einen und noch einen. Was ist denn jetzt los? Die Glasaugen sind richtig bissig. Dirk erwischt die Stachelritter alle in einem sehr begrenzten Bereich. Tobias und ich werfen auch in diese Ecke, doch wir fangen lange nicht so gut. Nachdem der nächsten Fisch an Dirks Rute bockt, schauen wir etwas genauer auf seinen Köder. Der braune Ripple Minnow trifft momentan wahrscheinlich genau das Beuteschema und wir wechseln auch auf den No Action Shad von Berkley. Und es kommt, was kommen musste – nach ein paar Würfen sind zwei Ruten gleichzeitig krumm. Tobi und Dirk drillen. Es wird ein bisschen hektisch auf unserem Boot, aber alles geht gut und Dirk kann erst seinen und ein paar Sekunden später auch Tobis Fisch keschern. Ein Jubelschrei ertönt und zwei Zander über 70 Zentimeter liegen in den Maschen.

Die Stunde der Räuber

Wir haben wohl eine richtige Beißphase erwischt. Das Spektakel dauert ungefähr eine Stunde, dann ist der Spuk vorbei. Auch die anderen Angler fangen in dieser Zeit gut. Während unseres Doppelschlags kämpft ein Uferangler mit einem guten Fisch. Nachdem wir unsere Zander gekeschert haben, ist seine Rute immer noch krumm. Kurz darauf kann er den Räuber landen und hält einen 1,05 Meter großen Hecht in seinen Händen. Der glückliche Fänger berichtet uns, dass er vor ein paar Minuten auch einen 52er Barsch fing! Jetzt begreife ich, was für ein Potential in dieser Talsperre steckt. Entspannt fischen wir uns nach diesem Erlebnis wieder in Richtung unseres Ausgangsortes, treffen hier und da noch andere Bootsangler, die alle richtig gut fingen. Wieder an unserer Slipstelle angekommen, dämmert es bereits. Wir wagen noch ein paar Würfe und bei mir steigt tatsächlich noch ein Guter ein. Die Bleilochtalsperre verabschiedet sich gebührend mit einem 65er Stachelritter und ich bin mir in diesem Moment sicher, dass ich so schnell wie möglich wieder hier sein möchte.

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