Harte Bisse, kräftige Fluchten und Luftsprünge: Das ist Schwarzbarschangeln. In den USA ist er DER Sportfisch schlechthin. Doch wer bei uns in Europa Bass-Action sucht, muss nicht in den Flieger steigen. Finesse-Experte Sean Perez verrät, wie Du bezahlbar und in wenigen Tagen zum 
„König der Barsche“ kommst – in Norditalien

In vier Tagen zum Bass

Halb zwei morgens in Hessen – der Wecker reißt mich aus dem Schlaf. Das Auto ist getankt und das Tackle minimalistisch: Zwei Ruten, eine Tacklebox, Kleidung und ein Fotoapparat kommen mit, mehr nicht. Kein Einchecken, keine Warteschlange, und vor allem kein Flughafenpersonal, welches mir mitteilt, dass meine Angelruten verschollen sind. Das Navi hat die Reisezeit mit rund acht Stunden berechnet. Mein Ziel heißt passend zur Fischart BASSano del Grappa. Mit rund 40.000 Einwohnern bietet die gemütliche Stadt am Fluss Brenta alles, was an Infrastruktur notwendig ist. In den Straßen und Gassen spürt man die italienische Lebensfreude, die „Dolce Vita“, während aus den urigen Gaststätten und kleinen Restaurants verführerische Düfte strömen. Der Name Bassano Del Grappa stammt vom nahegelegenen Monte Grappa, der mit über 1.700 Metern Höhe nicht zu übersehen ist. Wahrzeichen der Stadt ist jedoch die im 13. Jahrhundert errichtete Holzbrücke Ponte degli Alpini über die Brenta.

Anfahrt, Unterkunft und Unterbringung

Rückblick: Ein paar Wochen zuvor fiel mir bei der Internet-Recherche ein kleines Bed & Breakfast außerhalb der Stadt auf. Die Anlage „Societa Agricola Crocerone“ machte einen erstklassigen Eindruck. Modern, idyllisch und mit gerade mal fünf Zimmern die perfekte Unterkunft, um sich nach einem langen Angeltag zu erholen. Positive Bewertungen auf Reiseportalen und bezahlbare Zimmerpreise brachten mich einen „Klick“ dichter an die grün-schwarz gefärbten Großmäuler.
Zurück zur Reise: Um Stau zu vermeiden, empfiehlt es sich, nachts loszufahren. Mit angenehmen 130 Stundenkilometern fahre ich gelassen Richtung München, dann geht es hoch hinaus – durch Österreich und auf dem Brennerpass über die Alpen. Während in Norditalien oft bereits sommerliche Temperaturen herrschen, kann im Frühling auf den kurvigen Alpenstraßen noch Schnee liegen. Wer die Tour jetzt startet, sollte die Winterreifen montiert lassen und Frostschutz auffüllen.
Tipp: In Österreich müssen für alle Pkw bis 3,5 Tonnen Mautgebühren entrichtet werden – über eine Vignette. Sie ist an nahezu jeder Raststätte in Grenznähe erhältlich. Wer ohne Vignette erwischt wird, muss mit einem satten Bußgeld rechnen! Weitere Informationen zur Vignette gibt es unter www.asfinag.at/maut/vignette

Als ich rund neun Stunden später auf den Parkplatz der kleinen Societa Agricola fahre, bin ich begeistert: Der erste Eindruck des Bed & Breakfast entspricht exakt den Vorstellungen. Geführt wird die Unterkunft von Familie Piotto – und wenn Gastfreundschaft irgendwo in Italien großgeschrieben wird, dann hier. Pierro, Bruder des Besitzers, ist rund um die Uhr vor Ort und sorgt dafür, dass es Gästen an nichts fehlt. Die Zimmer mit eigenem Bad sind freundlich und rustikal ausgestattet. Societa Agricola – ein toller Ausgangspunkt für eine Bass-Tour und unschlagbar bei Service und Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die Lizenz zum Fischen

Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, doch in Norditalien führt nur ein Weg zur gültigen Angelerlaubnis. Wenn man weiß, wie es funktioniert, kommt man als Tourist unkompliziert an die Papiere. Als erstes begibt man sich zum örtlichen Angelshop und bekommt dort – gegen zwei Euro Schutzgebühr – ein Heft mit regionalen Bestimmungen, eine Art Fangbuch und einen Einzahlungsbeleg für die Lizenzgebühr, der später als Angellizenz dient. Mit diesen Unterlagen geht es zur nächsten Poststelle, dort zahlen wir 13 Euro und bekommen diese auf dem Einzahlungsbeleg bestätigt. Ab jetzt hat man es fast geschafft, denn mit dem Einzahlungsbeleg geht man erneut zum Angelshop seines Vertrauens und lässt ihn abstempeln. Damit ist die Lizenz drei Monate lang gültig und erteilt bei einer Kontrolle durch die Fischereibehörde Auskunft über die Ausgabestelle und die Gültigkeitsdauer.
Tipp: Einen gut sortierten Angelshop finden Sie in der Via Garibaldi 64, 36027 Rosà (Tel.: 0039 042 48 50 59), nur fünf Minuten von der Societa Agricola entfernt. Neben Haken, Jigs und diversen Kunstködern hält Besitzer Giovanni Brunello eine ordentliche Auswahl an Ruten, Rollen und Angelschnur von nahezu allen namhaften Herstellern bereit. Zusätzlich können hier die benötigten Papiere für die Angellizenz erworben und später abgestempelt werden.

Auf der Suche nach „Boccalone“

Da mir nach der Anreise effektiv nur zwei Tage zum Angeln bleiben, habe ich mich für ein überschaubares Gewässer nahe der kleinen Stadt Torri di Quartesolo entschieden. Der unscheinbare See mit dem Namen Marola ist in knapp dreißig Autominuten erreicht. Er verfügt über einen prima Schwarzbarschbestand, hat sehr klares Wasser mit viel Struktur und abfallenden Kanten. Zu den Hotspots zählen Stege und Docks, die von den Barschen gerne als schattiges Versteck genutzt werden, aber auch im Wasser liegende Bäume und Äste sind immer einen Versuch wert. Gerade im Frühling, wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen das Wasser erwärmen, zieht es die Barsche vor der Laichzeit ins Flache. Hier gehen die Schwarzbarsche in der Regel mehrfach am Tag auf Raubzug.
Wie auch seine Artgenossen in den USA stellt sich der italienische Schwarzbarsch oder „Boccalone“ (italienisch für Großmaul), wie ihn die Einheimischen wegen seines riesigen Mauls nennen, als respektabler Gegner heraus. Bass sind klassische Sichträuber, haben leistungsstarke Augen und ein großes Blickfeld. In klaren Gewässern können sie Beute aus bis zu 15 Metern Entfernung erkennen. Vor allem die besseren 
Exemplare lassen sich also nicht leicht auf die Schuppen legen.
Wenn die Sichttiefe groß und das Wasser klar ist, bringen natürliche Köderfarben die besten Erfolge. Barsche haben auch ein farbliches Sehvermögen. Biologische Studien aus den USA belegen, dass Schwarzbarsche Rot- und Grün-Töne besonders gut, Blau- und Lila-Töne eher schlecht erkennen können. Noch wichtiger als die Farbe: Präsentation und Form des Köders – je natürlicher, desto besser. Fischige Formen, Würmer und Craws (Krebsimitate) 
wecken wenig Misstrauen und lassen Bass oft ohne Zögern zupacken.

Der Schatten

Als ich die ersten Würfe mache, fällt mir im klaren Wasser ein Schatten auf, der sich langsam am Ufer entlang bewegt. Schwarzbarsch? Und ob! Ich kurbel schnell ein, versuche, den Fisch gezielt anzuwerfen. Volltreffer – der Köder landet sanft etwas links vom Fisch. Die Angelei ist von Anfang an spannend, da wir im klaren Wasser die Fische beobachten und mit etwas Glück Bisse nicht nur spüren, sondern auch sehen. Nähert sich ein Bass dem Köder, heißt es Ruhe bewahren! Die meisten Bisse kommen, wenn der Köder über den Boden schleift und wir ihn mit kleinen Sprüngen in Aktion versetzen.

Der Fisch bewegt sich langsam, aber sicher auf den Köder zu. Aufgeregt sehe ich ihn in Gedanken schon zubeißen. Der Boccalone scheint aber mit mir zu spielen, denn wenige Zentimeter vor dem Creature Bait bleibt er stehen, beobachtet den Köder aus nächster Nähe. Die Spannung steigt und steigt während ich versuche, den Fisch durch kleine Zupfer zu provozieren. Erster Zupfer – er fixiert den Köder, zweiter Zupfer – er nähert sich, dritter Zupfer – das riesige Maul öffnet sich blitzschnell und ein kräftiger Sog lässt den Köder endlich im Maul verschwinden. Alles geschieht blitzschnell und automatisch: Meine Rute schnellt nach hinten, um den Haken zu setzen. Der wütende Boccalone taucht ab und versucht mit aller Gewalt, zurück ins Tiefe zu gelangen. Der Haken sitzt und die Fluchten lassen meine Bremse heulen. Während des Drills rasen mir die Gedanken durch den Kopf: Sitzt der Haken gut? Wird der Fisch springen? Soll ich die Bremse lockern? Gerade als ich den Arm für die Handlandung ausstrecke, katapultiert sich der Bass aus dem Wasser. Erst nach weiteren Akrobatik-Einlagen kann ich ihn endlich sicher greifen. Glücklich halte ich den ersten stattlichen Kämpfer meiner Italienreise in den Händen – einen besseren Auftakt kann ich mir nicht wünschen!

Lange nachdem der Boccalone wieder schwimmt, sitze ich am Ufer und meine Gedanken schweifen in die Vergangenheit. In meiner Jugend hatte ich an der Ostküste der USA ähnliche Erlebnisse. Als wäre es erst gestern gewesen, fühle ich mich plötzlich in diese wunderbare Zeit zurückversetzt. Mir wird klarer denn je, warum der Schwarzbarsch den Titel „König der Barsche“ trägt. Hier in Norditalien soll es zum Glück nicht bei einem Fisch bleiben…

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